Man kann nicht von DER Therapie ausgehen. Da alle Menschen unterschiedlich sind, gilt es auch eine individuelle Therapieform zu schaffen. Wie diese aussehen kann und worauf sie gründet, können Sie hier erfahren.
Nicht jedes ADS/ADHS muss behandelt werden. Oft genügt das Wissen um die Problematik und die Beschäftigung damit.
Kinder benötigen Struktur und Organisationshilfen, um sich z.B. im schulischen Alltag besser zurechtzufinden. Wir stellen Ihnen dazu Checklisten auf auf der Homepage des OptiMind Instituts zum Herunterladen zur Verfügung.
In unseren Fortbildungsseminaren erfahren Sie, dass Kinder mit ADS/ADHS eine ganz besondere „Gebrauchsanweisung“ besitzen, die man kennen sollte.
Für Erwachsene gelten die gleichen Prinzipien. Dabei geht es vor allem darum, wie sie ihren Alltag besser organisieren können. Wichtige Hilfsmittel sind etwa Jahreskalender, To-Do-Listen und Erinnerungszettelchen. Auf diese Weise sollen die Betroffenen mehr Struktur in ihren Alltag bekommen und auch bei weniger interessanten Tätigkeiten den Überblick stets behalten.
Kommt es aber bei Kindern oder Erwachsenen zu „erheblichen“ Beeinträchtigungen und Komorbiditäten, wie z.B. massiven Selbstwertstörungen, Schulversagen oder gar -verweigerung, zu drohendem Verlust des Arbeitsplatzes oder vielleicht auch zu ausgeprägten partnerschaftlichen Konflikten, dann ist es Zeit über weiterführende therapeutische Interventionen nachzudenken.
Grundsätzlich lassen sich diese in 2 Bereiche einordnen:
- den nicht-medikamentösen Bereich
- den medikamentösen Bereich
Nicht-medikamentöser Bereich
Eine psychologische Begleitung (Verhaltenstherapie)
Hier soll das Kind/der Erwachsene lernen, sich besser selbst zu strukturieren und zu organisieren. Zudem soll ein Weg gefunden werden, besser mit Gefühlen und Impulsivität umgehen zu können. Wir arbeiten im Kinder- und Jugendbereich seit Jahren sehr eng mit der Kinder- und Jugendtherapeutin Frau Dr. Dipl.-Psych. Petra Marina Hammer zusammen, die die psychologische Betreuung unsere kleinen PatientInnen absolut kompetent übernimmt. Die Verhaltenstherapie wird von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen.
Die Erwachsenentherapie ist oft durch weitere Komorbiditäten oder Probleme, die sich im Lebensverlauf „angehäuft“ haben, kompliziert. Typische Komorbiditäten bei Kindern und Erwachsenen mit ADS/ADHS sind:
- Selbstwertstörung
- Angststörung
- Depression
- Zusätzliche Teilleistungsstörungen wie z.B. LRS, Dyskalkulie
- Tics
- Seltener Zwangsgedanken oder auch Zwangshandlungen
- Essstörungen
Sie benötigen einen sehr erfahrenen Psychologen um die verschiedenen Symptome auseinander zu halten. Unsere Aufgabe ist deshalb Störungsbilder voneinander abzugrenzen und Schwerpunkte in der Therapie zu setzen.
Nur nebenbei: Bewährt haben sich außerdem regelmäßiger Sport und verschiedene Formen von Achtsamkeitstraining sowie Organisations- und Stressmanagement-Trainings.
Medikamentöser Bereich
Menschen mit ADS/ADHS haben es in mancher Hinsicht schwerer. Denn in Schule und Beruf sind oft genau die Fähigkeiten gefragt, mit denen sie „auf Kriegsfuß stehen“ – wie Aufmerksamkeit, Sorgfalt oder Konzentration. Keineswegs sind Menschen mit ADS/ADHS jedoch faul oder dumm. Viele besitzen sogar besondere Qualitäten, sind zum Beispiel äußerst kreativ, begeisterungsfähig oder erfindungsreich.
Manche Menschen mit ADS/ADHS mit einer ausgesprochen ausgeprägten Symptomatik können erst, wenn sie ein Medikament einnehmen, erleben, wie es ist, nicht nur
- Chaos im Kopf zu haben
- in emotionalen Extremen zu leben
- in der Zerstreutheit unterzugehen
- durch ihre hohe Impulsivität anzuecken
sondern selbstbestimmter und mit Vorausschau handeln zu können.
Wie wirken diese Medikamente?
Die Medikamente wirken im Prinzip auf die gleiche Weise – sie blockieren reversibel, d.h. nur für eine festgelegte Zeit, den Rücktransport ( „re-uptake“) der Botenstoffe Norardrenalin und Dopamin im „praesynaptischen Teil“ der Synapse zwischen Nervenzellen. Dadurch steigt die Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt an und die Informationsweitergabe zwischen den Nervenzellen wird verbessert. Für das neue Medikament mit dem Wirkstoff „Guafacin“ ist die Wirkungsweise noch nicht geklärt.
Wie ist das zu verstehen? Etwas Biologie
Nervenzellen oder so genannte neuronale Netze, tauschen ständig Informationen untereinander aus. Dies geschieht durch Neurotransmitter. In den Zentren, die vor allem für Aufmerksamkeit und Impulssteuerung verantwortlich sind („exekutive Funktionen“), sind das die Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin. Man kann sich das so vorstellen, dass die neue Information als elektrischer Impuls die Nervenzelle 1 entlang läuft und an dessen Ende eine Ausschüttung der Neurotransmitter Dopamin/Noradrenalin bewirkt. Da Nervenzellen nicht aneinander „kleben“ sondern durch einen feinen Spalt, dem „synaptischen Spalt“, voneinander getrennt werden, gelangt dieser Neurotransmitter zunächst dorthin. Auf der anderen Seite des synaptischen Spaltes befindet sich die Nervenzelle 2, die durch Rezeptoren diesen Neurotransmitter einfängt. Nachdem „Alles oder Nichts Prinzip“ kommt es nach Belegung einer bestimmten Anzahl dieser postsynaptischen Rezeptoren der Nervenzelle 2 zu einer elektrischen Entladung, die der weitergeleiteten Informationen aus den Nervenzelle 1 entspricht. Überflüssige und nicht verbraucht Neurotransmitter im synaptischen Spalt werden jetzt wieder ganz schnell durch so genannte „Dopamintransporter“ in die Nervenzelle 1 aus dem synaptischen Spalt zurückgepumpt um für die nächste Info-Weitergabe zur Verfügung zu stehen (re-uptake).
Bei ADS/ADHS ist mittlerweile durch genetische Untersuchung belegt, dass dieser re-uptake „überfunktioniert“, d.h. zu stark ist, so dass im synaptischen Spalt immer eine zu geringe Konzentration an Neurotransmittern verbleibt und dadurch die Informationsweitergabe beeinträchtigt ist.
Die Medikamente sorgen dafür, dass dieser „re-uptake“ langsamer verläuft indem sie die Dopamintransporter eine Zeitlang in Ihrer Funktion hemmen. Damit steigt die Konzentration von Dopamin und Noradrenalin im synaptischen Spalt an und die Informationsweitergabe und somit Aufmerksamkeit und Impulskontrolle werden verbessert.
Für Sie ist wichtig zu verstehen, dass also mit den Medikamenten keine „strukturelle“ Veränderung an den Nervenzellen, sondern eine „funktionelle“ Veränderung für einen bestimmten Zeitraum stattfindet.
Die Gruppe der Medikamente, die ADS/ADHS durch diesen Mechanismus günstig beeinflussen können, teilt man grob in Stimulantien und Nicht-Stimulantien ein.
Stimulantien
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Stimulanzien als Substanzen, die die Aktivität der Nerven erhöhen, beschleunigen oder verbessern. Für den medizinischen Gebrauch und in der Behandlung von ADS/ADHS im Kinder und Erwachsenen Alters zugelassen ist das Stimulanz „Methylphenidat (MPH)“, seit etwa zwei Jahren zusätzlich und ausschließlich im Kinder- und Jugendbereich die Stimulanzien „Lisdexamfetamin“ und „Dexamfetamin“. Stimulantien fallen generell unter das Betäubungsmittelgesetz (BTM-pflichtig), um einen Missbrauch zu vermeiden. In erfahrener medizinischer Hand sind Sie jedoch ein sehr wirkungsvoller Baustein, um Therapieerfolge zum Beispiel auch in der Verhaltenstherapie überhaupt zu ermöglichen. Mittlerweile liegt eine Therapieerfahrung mit diesen Medikamenten über mehr als 50 Jahre vor, die mögliche Risiken und Nebenwirkungen berechenbar machen.
Nicht-Stimulantien
Hier ist vor allem die Substanz „Atomoxetin“ zu erwähnen, die die Zulassung in Deutschland im Kinder- und Jugendbereich bzw. zur Weiterführung einer Behandlung im Erwachsenenbereich schon vor Jahren erhalten hat. Auch wenn diese Substanz nicht „BTM-pflichtig“ ist, so sind doch besondere Maßnahmen der medizinischen Kontrolle erforderlich, um auch hier mögliche Risiken und Nebenwirkungen klein zu halten. Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige Blutbild und insbesondere Leberwert-Kontrollen.
Seit kurzem zugelassen im Kindesalter ist die Substanz „Guafacin“.
Die Retardformulierung von Guanfacin ist im Januar 2016 in Deutschland eingeführt worden. Dieses Präparat ist im Rahmen einer umfassenden therapeutischen Gesamtstrategie bei Kindern und Jugendlichen ab einem Alter von 6 Jahren mit ADHS zugelassen, wenn eine Behandlung mit Stimulanzien (Methylphenidat, Amphetamin) nicht in Frage kommt, unverträglich war oder sich als unwirksam erwiesen hat – also handelt es sich um ein sogenanntes „Zweitlinienmedikament“. Bis zum Wirkungseintritt nach Beginn der Therapie ist mit ca. 3 Wochen zu rechnen.
In den USA ist Guanfacin seit 2009, dort auch für Erwachsene, zugelassen, wobei es dort auch in Kombination mit einem Stimulanz angesetzt werden kann. Guanfacin ist nicht BtM-pflichtig.
Das genaue Wirkprofil bei ADS/ADHS ist noch nicht restlos aufgeklärt. Bekannt ist, daß Guanfacin wirkt als:
- selektiver alpha2A-adrenerger Rezeptoragonist
- modifiziert postsynaptisch die Noradrenalin-Übertragung
- moduliert die Signalübertragung und stärkt die funktionelle Konnektivität des neuronalen Netzwerks im präfrontalen Cortex
Gemäß der Fachinformation sind sehr häufige Nebenwirkungen (≥1/10): Schläfrigkeit (Somnolenz), Kopfschmerzen, Sedierung, Bauchschmerzen, Ermüdung. In den Studien kam es durchschnittlich zu einer Verringerung des systolischen und diastolischen Blutdruckes um 2-3 mmHg und zu einer Reduktion der Herzfrequenz von 3 Schlägen/min.
Wir haben bewusst auf eine noch detailliertere Darstellung der Eigenschaften dieser Medikamente verzichtet, da dies den Rahmen dieser Informationsseiten sprengen würde und nach unserem Empfinden dies im individuellen Fall und im Arzt-Patienten –Kontakt geschehen sollte. Leider sehen wir in den letzten Jahren immer mehr durch „Dr.Google“ vorinformierte Patienten, die zwar ein enormes Wissen aus dem „Netz“ zusammengetragen haben, das Wissen jedoch nicht an der richtigen Stelle „einsortieren“ können und danach oft noch ratloser oder auch prinzipiell voreingenommen sind.
Anmerk. Der Verfasser